"The Homes We Carry" Brenda Akele Jorde (D 2022)

"The Homes We Carry" Brenda Akele Jorde (D 2022)

Quelle: David-Simon Groß / Film Five GmbH
Rechtehinweis: Bild darf für reaktionelle Berichterstattung genutzt werden.

Filmfest Osnabrück - Festival des Unabhängigen Films

38. Filmfest Osnabrück "Focus on Europe"

Vom Weggehen und Ankommen. Die Sektion „Focus on Europe“ beim 38. Filmfest Osnabrück.

Osnabrück, 26.09.2023

38. Filmfest Osnabrück
Festival des Unabhängigen Films

11.– 15. Oktober 2023

Osnabrücker Filmforum e. V.
Lohstraße 45 A
49074 Osnabrück

0541/298 24

info@filmfest-osnabrueck.de
filmfest-osnabrueck.de

 

 

Pressemeldung: 26.09.2023


Vom Weggehen und Ankommen


"The Homes We Carry" Brenda Akele Jorde (D 2022)
Quelle: David-Simon Groß / Film Five GmbH

Die Sektion „Focus on Europe“ beim 38. Filmfest Osnabrück

Cornelius Won Riedel-Clausen muss an einen schlechten Scherz gedacht haben, als er in Kopenhagen auf offener Straße eine Filmrolle angeboten bekam. Nach reiflicher Überlegung sagte er zu und übernahm die Hauptrolle in Malene Chois Spielfilmdebüt „The Quiet Migration“, nach dem Dokumentarfilm „The Return“ die zweite Produktion ihrer Trilogie zu Thema Adoption. Choi wurde in Südkorea geboren und von dänischen Eltern adoptiert. So wie Carl, die Hauptfigur in „The Quiet Migration“. Carl wächst als Sohn eines Bauernehepaares auf, erlernt die Landwirtschaft, soll einmal den Hof übernehmen. Seine Eltern lieben ihn, wissen sich aber nicht zu helfen, wenn Carl in der Dorfgemeinschaft verkapptem oder offenem Rassismus ausgesetzt ist.

Malene Choi wahrt in „The Quiet Migration“ die beobachtende Haltung der Dokumentarfilmerin, mit völlig natürlich auftretenden Hauptdarstellerinnen und -darstellern, allesamt renommierte Namen ihres Metiers. In der Rolle von Carls Mutter überzeugt Bodil Jørgensen, dem deutschen Publikum bekannt aus Lars von Triers „Die Idioten“ und seiner TV-Serie „Die Geister“. Neben Bradley Cooper und Jennifer Lawrence spielte sie in Susanne Biers „Serena“. Auf deutschen Bildschirmen häufig zu Gast ist Bjarne Henriksen, hier in der Vaterrolle zu sehen. Er spielte den Vater des Opfers in „Kommissarin Lund“, gehörte zum Ensemble von Serien wie „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ und „Cry Wolf“. Michel Hazanavicius besetzte ihn in seinem Kriegsdrama „The Search“.

„The Quiet Migration“ läuft beim Filmfest Osnabrück in der Reihe Focus on Europe. Themen wie Heimat und Herkunft, Aus- und Einwanderung ziehen sich wie ein Leitfaden durch das Programm, in Brenda Akele Jordes „The Homes We Carry“ – entstanden nach einer Idee ihres Kameramanns David-Simon Groß – gleich auf mehreren Ebenen. Sie begleitet Sarah Deichsel, Tochter einer deutschen Mutter und eines mosambikischen Vaters. Eulidio Daniel Nhambiro kam im Zuge eines Ausbildungsabkommens in die DDR, lernte dort Ingrid, Sarahs Mutter kennen, musste aber Deutschland nach dem Mauerfall verlassen. So wie ihm erging es vielen Landsleuten, die die Gruppe „Madgermans“ gegründet haben, um ausstehende Lohnzahlungen zu erkämpfen. Sarah ist inzwischen selbst Mutter und zu einer Reisenden geworden. Eulidio lebt in Südafrika, der Vater ihres Kindes in Mosambik. Der Wunsch der Regisseurin, geäußert im Interview mit filmloewin.de: „Ich hoffe, die positive Message, dass Heimat etwas ist, das man in sich trägt und man mehrere Heimaten haben kann, bleibt hängen.“ Einen besonderen Beitrag leistete die mosambikische Musikerin Lenna Bahule mit Songs aus ihrem Repertoire und eigens auf den Film zugeschnittenen Kompositionen.

Von einer Heimatsuche sehr ungewöhnlicher Art erzählt die internationale Koproduktion „The Visitors“. Die tschechische Anthropologin Zdenka zieht mit ihrer Familie nach Svalbard (Spitzbergen) am Polarkreis, fühlt sich wohl dort, möchte heimisch werden. Die Möglichkeit besteht, aufgrund einer besonderen Gesetzgebung darf sich ohne Visum auf Svalbard ansiedeln, wer ein ausreichendes Einkommen nachweisen kann. Die einheimischen Norwegerinnen und Norweger aber sehen den Zuzug und den anwachsenden Tourismus mit gemischten Gefühlen, einige reagieren mit offener Zurückweisung.

Anders als Zdenka hat die Deutsch-Kurdin „Elaha“, Titelfigur des gleichnamigen Films von Milena Aboyan, ihre Heimat gefunden. Ihre Schule empfiehlt der selbstbewussten und intelligenten jungen Frau, das Abitur zu machen. Eine berufliche Zukunft steht ihr offen. Zugleich lebt sie mit den Traditionen der kurdischen Gemeinde, liebt ihre Familie, soll und will heiraten, den hergebrachten Bräuchen und den Ansprüchen vor allem der strengen Mutter genügen. Aber sie steckt in Schwierigkeiten. Vor der Heirat wird geprüft, ob sie als Jungfrau in die Ehe geht. Elaha weiß, dass sie nicht bestehen wird. Es sei denn, sie unterzieht sich einer operativen Rekonstruktion ihres Hymens. Sensibler als zuvor nimmt sie wahr, wie ihr künftiger Bräutigam und andere Männer ihres Umfelds mit Frauen umgehen, und sie muss entscheiden, wie ihr künftiges Leben aussehen soll.

Ein auf den ersten Blick sorgenfreies Leben führt die 25-jährige „Amanda“ im italienischen Beitrag gleichen Titels. Dank wohlhabender Eltern kann Amanda ihre Tage müßig verstreichen lassen. „Du tust nie irgendwas“, sagt ihre Mutter, „weil du viel zu sehr mit Nichtstun beschäftigt bist.“ Aber Amanda ist unglücklich. Sie war ein kleines Kind, als die Familie nach Paris zog, jüngst ist sie nach Italien zurückgekehrt. Mit jedem Umzug verlor Amanda ihren Freundeskreis. Obendrein fällt es ihr schwer, soziale Kontakte zu knüpfen. Im Kino, das sie regelmäßig aufsucht, tauscht sie Blicke mit einem Jungen, aber beide wissen nicht, wie weiter. Amandas Mutter bittet sie, Rebecca zu besuchen, die Tochter einer Freundin. Auch ein Problemkind – Rebecca verlässt ihr Zimmer nicht und lässt niemanden hinein. Amanda sträubt sich zunächst gegen die verordnete Freundschaft, aber Rebeccas Verhalten fordert sie heraus. Sie hat immer bekommen, was sie wollte. Und jetzt will sie in Rebeccas Zimmer …

Carolina Cavallis „Amanda“ steckt voller origineller Ideen, frecher Dialoge, fotografischer Einfälle. Eigentlich verbirgt sich hinter der Exzentrik der beiden Hauptfiguren eine psychische Erkrankung. Auch Amandas Mutter neigt zu Depressionen. Cavalli, die selbst das Drehbuch verfasste, wählt nicht die Form der Leidensgeschichte, sondern erkennt den teils finsteren Humor, lässt auch eine gewisse Kritik durchblicken und schreibt ihren jungen Heldinnen die Kraft zu, innere wie äußere Hindernisse zu überwinden. Die Nebenrolle des Dude, den Amanda zeitweilig mit ihrer Zuneigung überschüttet, spielt der in Italien populäre Musiker und Clip-Regisseur Michele Bravi, dessen Songs oft düstere Textzeilen enthalten. International arbeitete er mit Mika, Michael Landau und Sophie and the Giants.

Das 38. Filmfest Osnabrück findet statt vom 11. bis 15. Oktober 2023 in den Aufführungsorten Filmtheater Hasetor, Haus der Jugend, Lagerhalle und im Cinema-Arthouse. Programm, Informationen, Tickets unter www.filmfest-osnabrueck.de.

Akkreditierungen sind ab sofort möglich.

 




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